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German Klassik Heute,- Allein die beiden großartigen zeitgenössischen Werke Chens und Vassilievs lohnen den Kauf!

June 21, 2009

Heinz Braun, Klassik Heute (Germany)

Im Juli vergangenen Jahres (2008) feierte die dänische Blockflötenvirtuosin Michala Petri ihren fünfzigsten Geburtstag mit einem großen Festkonzert im Kopenhagener Tivoli, das live vom Dänischen Rundfunk übertragen wurde. Der Mitschnitt dieses Konzertes liegt nun als CD vor und vermittelt einen lebendigen Eindruck von der besonderen Atmosphäre des Ereignisses. Gerade diese hörbare Aura – jenseits gewöhnlicher, steriler Studio-Perfektion – macht den Reiz dieser Produktion aus und lädt den Hörer ein, die Begeisterung des Publikums „vor Ort" zu teilen.

Mitstreiter an Michala Petris Seite ist das von Gidon Kremer initiierte Ensemble Kremerata baltica, mit dem sie schon seit vielen Jahren eine glückliche Zusammenarbeit verbindet.

Das Programm ihres Geburtstagskonzertes spiegelt die musikalische Entwicklung wider, die Petri in den vergangenen Jahren gemacht hat.

Der Schritt, gemeinsam mit ihrem Mann und Duopartner Lars Hannibal ein eigenes Plattenlabel zu gründen und zukünftig nur noch Musik aufzunehmen, die ihr selbst am Herzen liegt, mag die Initialzündung für eine Wende in Petris Musikerkarriere gewesen sein und ging mit einem klaren Wandel ihres Selbstverständnisses einher: weg vom virtuosen „Wunderkind" und einem Repertoire, das stets zu beweisen suchte, welcher Virtuosität das so unscheinbare Instrument Blockflöte doch fähig ist. Nicht, dass Michala Petri an Brillanz eingebüßt hätte – seit einigen Jahren aber hat ihr Spiel an Reife gewonnen, ihr Repertoire fokussiert sich mehr und mehr auch auf die Musik unserer Zeit. Neue, beeindruckende Instrumentalkonzerte sind in Zusammenarbeit mit bedeutenden zeitgenössischen Komponisten entstanden (Börtz, Amargós, Stucky) und auf einer Grammy-nominierten CD dokumentiert (Movements. OUR Recordings 6.220531).

Auch wenn sich Petris Geburtstagsprogramm an den Eckpfeilern ihres Repertoires orientiert, so überrascht doch ihre konkrete Auswahl: zwei Konzerte des italienischen Barocks, zwei zeitgenössische Konzertstücke, Mozarts berühmtes C-Dur-Andante, Nino Rotas Concerto for Strings und als Zugabe einige Geburtstagsvariationen von Peter Heidrich. Keine platten Reißer also, sondern ein absolut stimmiger, fein abgestimmter Reigen auserlesener Musik.

Tomaso Albinonis d-Moll-Konzert op. 9 Nr. 2 eröffnet das Programm. Es entstammt der 1722 in Amsterdam veröffentlichten Sammlung von 12 Oboenkonzerten des venezianischen Meisters und steht qualitativ weit über der routinierten Massenproduktion italienischer Provenienz: Punktierte Figuren verleihen dem ersten Satz unwiderstehlichen Drive, gefolgt von einem innigen Adagio. Petri spielt das Konzert wegen des spezifischen Tonumfangs zwar auf einer Sopranblockflöte, verleiht ihm aber dennoch ein edles, samtenes Timbre. In eine exotische Klangwelt entführt Die Musikerin ihr Publikum mit den Three Ancient Chinese Beauties für Blockflöte und Streicher der bekannten chinesischen Komponistin Chen Yi. Chen Yi, seit langem in den USA lebend und lehrend, gelingt es in ihrem Petri gewidmeten Konzert, die Gefahr folkloristischer Stereotypen zu umschiffen und eine ansprechende Musik von lichter Textur zu schreiben, die den charakteristischen Charme chinesischer Melodik mit eingängiger Motorik, Glissandi und Pizzicati à la Bartók verbindet. Licht charakteristiert auch das folgende C-Dur-Andante KV 315 Mozarts. Die Ausführung mit einer Blockflöte gibt dem Stück eine ganz spezielle Note von – im positiven Sinne – fast kindlicher Reinheit. Eine Atempause für die Solistin verschafft Nino Rotas Streicherkonzert. Rota war ja durchaus nicht nur der geniale Komponist von Filmmusik für Fellini, Visconti oder Coppola, sondern hat auch eigenständige Musik für den Konzertsaal geschaffen. Sein viersätziges Konzert für Streicher knüpft harmonisch an die klassische Klarheit Mozarts an und gemahnt insbesondere im Finalsatz ein wenig an Prokofieffs Symphonie classique.

Höhepunkt des Programms ist für mich Valere iubere des jungen russischen Komponisten Artem Vassiliev, ein viertelstündiges musikalisches Epitaph, das zwischen irisierenden Klangflächen der vielfach geteilten Streicher, dramatischen Ausbrüchen, Tango-Elementen und intimen kammermusikalischen Episoden changiert. Ein Werk von meisterhafter Faktur – sowohl in der souveränen Behandlung des Streicherapparates als auch im delikaten Umgang mit dem Soloinstrument.

Einen wirklichen "Klassiker" für die Blockflöte konnte sich Michala Petri zum Schluss doch nicht verkneifen, immerhin das Konzert, das sie laut eigener Bekenntnis am häufigsten aufgeführt hat: Antonio Vivaldis C-Dur-Konzert RV 443.

Ein ganz klein wenig merkt man der Aufführung diese Routine denn auch an: die Verzierungen des zweiten Satzes wirken zwar schön ausgedacht, in der Ausführung aber keineswegs wie "in italienischer Manier" gleichsam improvisiert, sondern eher etwas brav buchstabiert. Für einen Largo-Satz gerät auch das Tempo viel zu rasch. Eine gewisse Statik vermeidende Flüssigkeit bekommt dem Satz durchaus; Petri bewegt sich aber schon sehr nah an einem Andante …

Dem begeisterten Publikum und der Jubilarin selbst konnte man eine augenzwinkernde Zugabe nicht verwehren: mit einigen Ausschnitten aus den brillanten Happy Birthday Variationen Peter Heidrichs (im Stile rührseliger Filmmusik, als Walzer, Tango und Csardas) beschloss die Kremerata baltica das Programm und ließ Michala Petri auf diesem Wege noch einmal musikalisch hochleben.

Nicht nur Blockflötenfreunde werden an dieser Zusammenstellung ihre Freude haben. Allein die beiden großartigen zeitgenössischen Werke Chens und Vassilievs lohnen den Kauf!

Heinz Braun (22.06.2009) 9/8/9



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