Klassik Heute, Germany - Wertung: 10 / 10 / 10 it is a momentous milestone of recorder music of the 20th Century
March 3, 2014
Heinz Braun
Der dänische Komponist und Pianist Axel Borup-Jørgensen (1924-2012) war einer der großen, stillen Individualisten Skandinaviens im 20. Jahrhundert. In Dänemark geboren und in Schweden aufgewachsen, erhielt er seine Ausbildung an der Königlichen Musikakademie in Kopenhagen. Obwohl als Komponist weitgehend Autodidakt, zählte er 1959 zu den ersten dänischen Komponisten, die die Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik besuchten. Wolfgang Fortner ermutigte den jungen Musiker, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Ohne Zweifel übte die Avantgarde der Sechzigerjahre einen starken Einfluss auf Borup-Jørgensens Klangwelt aus, jedoch komponierte er nie streng seriell, sondern ließ sich in seiner kompositorischen Arbeit stets von Intuition und seinem außerordentlichen Klangsinn leiten. Borup-Jørgensens handschriftliche Partituren von geradezu kalligraphischer Qualität und Schönheit verraten den ausgesprochenen Klang-Tüftler und Magier der Farben. Seine Musik kennt feinste melodische Verästelungen ebenso wie zupackende, dramatische Eruptionen, so etwa in seinem orchestralen Hauptwerk Marin (1970) oder Musica autumnalis (1977). Der weit überwiegende Teil seines Schaffens ist der Kammermusik gewidmet. Hier genoss er die Freiheit und Inspiration, eng mit seinen Interpreten zusammenzuarbeiten und neue klangliche Möglichkeiten der Instrumente erforschen und erproben zu können.
Dass die Blockflöte in Axel Borup-Jørgensens Werkliste eine nicht unwesentliche Stellung einnimmt, verdanken wir seiner Begegnung (und lebenslangen Freundschaft) mit der dänischen Blockflötenvirtuosin Michala Petri und seiner Tochter Elisabet Selin, für die er zahlreiche anspruchsvolle Kompositionen geschaffen hat.
Diese ausgesprochen sorgfältig edierte, musikalisch, klanglich und nicht zuletzt auch optisch exzellente Produktion seiner (fast kompletten) Blockflötenmusik beleuchtet einen Zeitraum von fast dreißig Jahren – von seinen ersten Versuchen mit dem Instrument Mitte der Siebziger Jahre bis hin zu Pergolato, der etwas mehr als ein Jahr vor seinem Tod entstandenen letzten Komposition des damals 86-Jährigen.
Authentischer und kompetenter könnte die Wiedergabe nicht sein: Eben jene Spielerinnen, die sein Interesse am Instrument geweckt hatten und mit denen er in der Folge auf das Engste zusammenarbeitete, sind auf der Aufnahme zu hören. Borup-Jørgensens auffallende Affinität zu den hohen Instrumenten der Blockflötenfamilie und ihrem der Frauenstimme ähnlichen wie auch dem Vogelgesang verwandten Klang macht es nicht leicht, die Werke dramaturgisch so geschickt und abwechslungsreich anzuordnen wie man es etwa von einem Konzertprogramm erwarten würde. Die CD ist offensichtlich auch eher „enzyklopädisch“ gedacht – als Referenzsammlung seiner Blockflötenwerke.
Periphrasis (1977 ursprünglich für Flöte und Schlagzeug komponiert und in den Neunziger Jahren für Blockflöte adaptiert) firmiert als fulminanter Auftakt. Im dialogischen Spiel fungiert die Blockflöte häufig als ruhender Pol im faszinierenden Klangfarbenkaleidoskop des Perkussionsappartes, der subtil mit den vier wechselnden Blockflöten (von Sopranino bis Tenor) interagiert. In welchem Maße sich Borup-Jørgensen in die Idiomatik des Instrumentes eingehört und –gedacht hat, zeigt sich vor allem im für seine Tochter komponierten Tenorflöten-Monolog Nachtstück aus dem Jahr 1987. Hier schafft er einen eigenen Kosmos von äußerster Expressivität der feinen Zwischentöne, der sich aus der Stille ganz allmählich geräuschhaft vortastend zu einer dramatischen Klimax mit blockhaften Akkordklängen steigert, um letztlich zu verstummen. Für mich vielleicht die unmittelbarste und auch formal geschlossenste Komposition der CD. Elisabet Selin realisiert hier nicht allein akribisch die detaillierten Farbnuancierungen der Partitur, sondern gestaltet den Spannungsbogen so zwingend souverän und von einer dramatischen Intensität wie man sie selten hört. Der einzigartige, unverwechselbare Ton Michala Petris prägt Architraves, ein hypnotisches Solostück für Sopraninoblockflöte. Das über ein Jahrzehnt später entstandene konzise Zwiegespräch knüpft klanglich daran an, erweitert aber die Besetzung mit dem silbrig-hellen Klang des Cembalos und kontrastiert die hohe Blockflöte mit sonoren, koloristischen Clustertexturen. Mitte der Neunziger Jahre entstand Birds Concert für Sopranblockflöte, das u.a. mit verschiedenen Trillern, Vorschlagsnoten und Flatterzungenspiel eine (jahrhundertelange) Tradition von Vogelmusik für das Instrument fortführt. Die 1975 komponierte Fantasia war das erste Werk Borup-Jørgensens, in dem er sich professionell mit der Blockflöte befasste und Ausgangspunkt einer kreativen Entdeckungsreise, die bis zum Ende seines Schaffens anhalten sollte. Wie Zwiegespräch für die Kombination von Sopranino und Cembalo konzipiert (und wie im ersten Falle von Elisabet Selin und ihrer Mutter Ingrid Myrhøj interpretiert), erzeugt das Stück von Beginn an eine gänzlich eigene, mysteriös-gespenstische Klangwelt von großer atmosphärischer Dichte. Der Kreis von Borup-Jørgensens kompositorischem Œuvre schließt sich in Pergolato mit dem weichen, milden Klang der Altblockflöte. Das für seine früheren Stücke so charakteristische hypnotisierende Kreisen, die dramatischen, raumgreifenden Intervallsprünge und abrupten Registerwechsel weichen in Pergolato meditativer Ruhe und lyrischer Melancholie. Wie in einer posthumen Verneigung vor dem großen Künstler und Freund strahlt Michala Petris Spiel hier besondere Würde und Demut aus. Das die CD beschließende Notenbüchlein für Sopranblockflöte solo (1977-79 für seine Tochter Elisabet Selin entstanden und hier auch von ihr gespielt) fasst in Form einer Suite von Miniaturstücken noch einmal kurios die charakteristischen Merkmale von Borup-Jørgensens Blockflötenmusik zusammen.
OUR Recordings hat mit dieser Produktion (wieder einmal) Maßstäbe gesetzt. Gewiss, Borup-Jørgensens Musik ist keine „leichte Kost“, aber sie ist ein gewichtiger Meilenstein der Blockflötenmusik des 20. Jahrhunderts – eine Musik von höchster Individualität und Geradlinigkeit, der man sich nur schwer entziehen kann. Heinz Braun,(04.03.2014)
English Translation of Review in Klassik Heute
The Danish composer and pianist Axel Borup-Jørgensen (1924-2012) was one of the 20th century’s great Scandinavian “silent individualists” Born in Denmark and raised in Sweden, he received his training at the Royal Academy of Music in Copenhagen. Although largely self-taught as a composer, in 1959 he was the first Danish composer who attended the Darmstadt Summer Courses for New Music. Wolfgang Fortner encouraged the young musician to continue on his path. Without a doubt, the avant-garde of the sixties exerted a strong influence on Borup-Jørgensen's sound world, but he never composed strictly serial music; he always followed his own intuition and obeyed his extraordinary sense of organizing sound. Borup-Jørgensen's handwritten scores are of almost calligraphic quality and beauty and reveal him to be the inveterate sound-tinkerer and magician of tone color. His music has both highly refined melodic ramifications as well as searing dramatic eruptions, such as in his orchestral masterpiece Marin (1970) or Musica autumnalis (1977). The vast majority of his work is devoted to chamber music. Here he enjoyed the freedom and inspiration to work closely with the artists and explore new sonic possibilities of their instruments.
The fact that the recorder occupies such a significant position in Axel Borup-Jørgensen's oeuvre, we owe to his encounter (and lifelong friendship) with the Danish recorder virtuoso Michala Petri and his own daughter Elisabeth Selin, for whom he created numerous challenging compositions. This very carefully edited, musically, sonically and last but not least, visually excellent production of his (almost complete) recorder music illuminates a period of nearly thirty years – from one of his first experiments with the instrument in the mid-seventies to Pergolato, the 86-year-old composer’s last work written the year before his death.
The authenticity and competency of the playing cannot be questioned: The very same players who had aroused his interest in the instrument and with whom he collaborated are the essence of this recording. Borup-Jørgensen exhibits his striking affinity to the high-pitched instruments of the recorder family as well as finding similarities with the female voice and birdsong; however works of such a similar tessitura presents challenges as to how to cleverly arrange the music in as dramatic and varied a fashion as you’d expect on a concert program. As a result, this CD is obviously a more "encyclopedic" conception - a reference collection of his works for recorder.
Periphrasis (1977 - originally composed for flute and percussion and adapted in the nineties for recorder) is a striking kick-off. In the dialogic play the recorder often acts as a calming influence to the fascinating kaleidoscope of percussive timbres that interacts subtly with the four different sizes of recorders ( from sopranino to tenor) used in this arrangement. The extent to which Borup-Jørgensen was able to internalize the specific characteristics of these instruments can be heard in the highly idiomatic monologue for tenor recorder, Nachtstück from 1987. Here he creates a unique cosmos of utmost expressivity, full of exquisite nuance as the piece proceeds from silence to a dramatic climax with block-like chords before ultimately dissolving into silence once again; for me, perhaps the most immediate and formally accomplished composition of the CD. Elizabeth Selin not only masters the meticulously detailed tone colors called for in the score, but makes the tension so absolutely sovereign, establishing a dramatic intensity that you rarely encounter. The unique, unmistakable tone of Michala Petri shapes Architraves, a hypnotic solo piece for sopranino recorder. The concise dialogue Zwiegespräch, from a little more than a decade later shares some of the same sonic concerns, but extends its explorations to include the silvery-bright sound of the harpsichord to provide contrast to the high recorder with sonorous, coloristic, cluster-textures. From the mid-nineties comes Birds Concert for soprano recorder, which features among other things, various trills, grace notes and flutter-tonguing and continues a (centuries long) tradition of “bird music” for the instrument. The Fantasia of 1975 was the first work Borup-Jørgensen composed for the recorder, and is the starting point for the creative that would occupy him until the last year of his life. Conceived as a dialogue for sopranino recorder and harpsichord (and composed for the work’s first performers, Elizabeth Selin and her mother Ingrid Myrhøj), Borup-Jørgensen produced a piece from his own, mysterious, eerie sound world of major atmospheric density. This round-up of Borup-Jørgensen's compositional oeuvre includes Pergolato which features the soft, gentle sound of the alto recorder. This work returns once again to those stylistic traits typical of his earlier pieces, with their hypnotic cycles, dramatic, large-scale interval jumps and abrupt changes of register, all of which permeate the soft-toned Pergolato with a meditative calm and lyrical melancholy. As befits a posthumous tribute to this great artist and friend, Michala Petri shines here with a special dignity and humility. The album ends with Notenbüchlein for soprano recorder solo (1977-79 written for his daughter Elizabeth Selin and here played by her) set in the form of a suite of miniatures, this work once again summarizes those curious characteristics that define Borup-Jørgensen‘s recorder music.
OUR Recordings has (once again) set new production standards with this disc. Certainly, Borup-Jørgensen's music is not “light-weight” fare, but it is a momentous milestone of recorder music of the 20th Century - a music of the greatest individuality and directness, that is impossible to ignore! Heinz Braun (04.03.2014)
Rating: 10 / 10 / 10