Klassik Heute (Germany) 10/10/10 - Zeitgenössische Musik vom Feinsten!
November 13, 2016
Heinz Braun
Das kleine, aber feine dänische audiophile Label OUR Recordings engagiert sich seit Längerem intensiv für die Musik Axel Borup-Jørgensens (1924-2012), einem der bedeutendsten skandinavischen Komponisten des vergangenen Jahrhunderts. Nach einer erst jüngst veröffentlichten CD mit Klaviermusik des Komponisten folgt nun eine repräsentative Auswahl seiner Orgelwerke.
Ausgangs- und Endpunkt des Programms bilden zwei Kompositionen für Orgel und Schlagzeug: Portal, ein konzises, doch kraftvoll-monolithisches Eröffnungsstück, das sich Borup-Jørgensen 2009 selbst zum 85. Geburtstag geschrieben hat sowie die über viertelstündige winter music von 1986/87.
Die zwei Solostücke for orgel IV und XI (1983/84 bzw. 1991-94 entstanden) stehen in vielerlei Hinsicht prototypisch für den Stil des Komponisten mit seiner feinsinnigen Auslotung der spezifischen Orgelsonorität, Akkordbrechungen und melodischen Verästelungen. Insbesonders das spätere der beiden Werke beeindruckt durch seine geheimnisvollen, dunkel-gedeckten Farben. Der Zyklus Kalligrafier mit seinen pointilistisch kontrastierenden Miniaturen ergänzt die beiden Solowerke.
In den beiden Instrumentalduos organo per due für zwei Organisten sowie Für Cembalo und Orgel verfolgt Borup-Jørgensen unterschiedliche Ansätze: Während sich im Orgel-Duo explosives Donnergrollen und Klangsplitter im höchsten Register gegenüberstehen, gelingt dem Komponisten in der ungewöhnlichen Kombination von Cembalo und Orgel ein kommunikatives Zwiegespräch, bei dem sich der dunkle Orgelklang mit dem silbrig hellen Cembalo kontrastiert, sich gegenseitig ergänzt und kommentiert.
Eines der frühesten Stücke der CD, die Rilke-Vertonung Strophen aus „Das Buch der Bilder“ von 1961 für Alt und Orgel zählt für mich zu den Höhepunkten des Programms. Die wunderbare Solistin Pia Rose Hansen verleiht diesem kontemplativen Stück den unabdingbaren großen Bogen, ein in sich ruhendes Fließen und eine selbstverständliche, unaufgeregte, nichts wollende Gelassenheit. Noch reduzierter wirkt Borup-Jørgensens Musiksprache in seinen Trilogi: Hier setzt der Komponist drei berühmte deutsche Gedichte (Rilkes „Herbsttag“ und „O Bäume Lebens“ aus den Duineser Elegien sowie Friedrich Nietzsches „Vereinsamt“) für Bass und Orgel. Der Vokalpart mit seinen expressiven, großen Intervallsprüngen und melismatischen Linien wird hier nur ganz selten und äußerst behutsam von der Orgel sekundiert. Der Bariton Jakob Bloch Jespersen reiht sich ein in eine Liste außerordentlicher Interpreten, allen voran der hochsensible Organist Jens E. Christensen, der sich mit einzigartigem Gespür in die Musiksprache Borup-Jørgensens eingefühlt hat. Ebenso erfreulich ist es, dass OUR Recordings
mit dem britisch-iranischen Cembalisten Mahan Esfahani einen der herausragenden Interpreten seines Faches für die Aufnahme gewinnen konnte. Das längste und meines Erachtens ergreifendste Stück steht am Schluss der CD: die 1986/87 komponierte winter music für Schlagzeug und Orgel (Jens E. Christensen hier im Duett mit dem fantastischen Perkussionisten Mathias Reumert). Die Dunkelheit und Gewalt des Winters nimmt mit sich auftürmenden Klangballungen der Orgel und wilden, fast rohen Schlagzeugsalven klingend Gestalt an. Eine starke, erschütternde Musik, die man so leicht nicht vergisst.
Lässt man sich auf sie ein, entfaltet Borup-Jørgensens Klangsprache einen einzigartigen Zauber, dessen Ernsthaftigkeit und Klangsinnlichkeit man sich kaum entziehen kann. Zeitgenössische Musik vom Feinsten! Heinz Braun
(14.11.2016)