Klassik Heute (Germany)Welch reizvolle Idee, Werke zweier 1890 Geborener mit nur um einen Buchstaben verschiedenen Nachnamen auf einer SACD zu präsentieren, nämlich Frank Martin und Bohuslav Martinu!
April 25, 2018
Thomas Baack
Klassik Heute (Germany)
(9/10/8)
Welch reizvolle Idee, Werke zweier 1890 Geborener mit nur um einen Buchstaben verschiedenen Nachnamen auf einer SACD zu präsentieren, nämlich Frank Martin und Bohuslav Martinu! Der Titel bezieht sich auf das Faktum, dass Frank Martin um seine in den zwanziger Jahren komponierte Messe solch ein Geheimnis machte, dass diese erst 1962 nach vielem gutem Zureden uraufgeführt werden konnte. Obwohl sie aufgrund der weitestgehend modalen, impressionistisch-archaisch gefärbten Harmonik mit einigen strawinskiesken rhythmischen Zuspitzungen den Ersthörer spontan begeistert, gehört sie – wie auch die Deutsche Motette von Richard Strauss und so einiges von Max Reger – zu den Werken, die schon aufgrund des geforderten immensen Stimmumfangs (2. Bass bis D, 1. Sopran bis c‘‘‘) extrem intonationssicheren (semi)professionellen Ensembles vorbehalten bleiben müssen. Strauss standen hierfür die Opernchöre in Wien und Berlin zur Verfügung, aber kaum jemand hätte damals die knapp halbstündige Ordinariumskomposition eines Newcomers riskiert. Wäre ich Leiter eines solchen Ensembles, würde ich zur Vorstellung des Werkes die süffigere Referenzaufnahme des BR-Chores verwenden, zum intensiven häuslichen Studium aber die hier vorliegende interpretatorisch zumindest gleichwertige, dabei wesentlich transparentere Version empfehlen.
Martins sängerisch noch anspruchsvollere 5 Gesänge des Ariel mit streckenweise vierfacher Teilung der Stimmgruppen von 1950 sind in ihrer erweiterten Tonalität seinem In terra pax verwandt, geben sich somit beim ersten Hören klanglich spröder. Es handelt sich hierbei um Monologe des Luftgeistes Ariel aus Shakespeares Sturm. Dankenswerterweise kann auf dem Web-Auftritt der Universal-Edition eine Probepartitur des Werks eingesehen werden, was das konzentrierte Zuhören ungemein erleichtert. Hier gelingt dem Danish National Vocal Ensemble eine meisterliche Referenzinterpretation mit klarer Diktion, makelloser Intonation und von wohlgerundetem Klang. Amüsant die chromatischen Vokalisen des Bienenschwarms in Where the bee sucks, die den von den Unterstimmen vorgetragenen Monolog immer wieder stören, das Hundegebell in Come unto this yellow sands und die Glocken in Five fathoms deep.
Die 4 Lieder über Maria (1934) und die „Romanze des Löwenzahns“ (1955) von Bohuslav Martinu sind eng mit dessen Liebe zur tschechischen Heimat verknüpft. Die vertonten Texte sind entweder mährische Volkslieder oder nutzen in der Romanze deren Duktus. Melodik und Rhythmik orientieren sich an westslawischer Folklore, die Harmonisierung changiert zwischen Archaismen im Stil der englischen Renaissance und impressionistischen Fortschreitungen.
Bei den klanglich durchaus gelungenen Interpretationen dieser selten eingespielten und somit hier nahezu unbekannten, folkloristisch beeinflussten Werke fehlen mir die Affinität zur tschechischen Sprache und die musikantische Agogik. Sie erschienen mir bereits beim ersten Anhören zu gepflegt madrigalesk und in der Diktion zu verwaschen. Der Unterschied zu Muttersprachlern wurde mir aber erst deutlich, nachdem ich die Supraphon-Aufnahmen der exzellenten Martinu Voices(Lieder), die mit wesentlich klarerer Diktion aufwarten, und des Kühn-Chors (Ballade), der stimmlich mehr slawische Vibranz bei etwas weniger präziser Intonation einbringt, zum Vergleich gehört hatte.
Klangtechnisch ist die Aufnahme superb, natürlich, direkt, transparent und ohne zusätzlichen Kunsthall. Das eine Handvoll Sopran-Stellen zur Schärfe neigt, ist den Komponisten zuzuschreiben (b‘‘ und c‘‘‘ bedürfen der Orchestergrundierung). Das Booklet ist höchst informativ, aber leider nur Englisch. Die tschechischen Texte liegen ebenfalls nur in vorangestellter englischer Übersetzung vor. Daher der Punktabzug hinsichtlich der Präsentation.
Vergleichsaufnahmen: Martin: Chor des Bayerischen Rundfunks, Dijstra; BRKlassik - Martinu: Lieder, Martinu Voices, Supraphon SU 4237-2; Romanze, Milada Čejková, Kühn Mixed Choir, Supraphon SU 3925-2 Thomas Baack 26.04.2018
Comment from the reviewer on the rating:
Dear Mr. Hannibal,
You were slightly embarrassed regarding my review on Klassik heute and did not agree with my numerical evaluation. So allow me to clarify my rating :
1. The recording is excellent and I really like its transparency. Therefore I rated it 10.
2. The singing itself is also first rate. The Martin pieces received an optimal interpretation and from a choirmasters perspective I recommended your production for an attentive study at home due to its Nordic clearness and transparency which I utterly appreciate. But the folksy Martinu pieces are slightly unidiomatic in comparison with Czech ensembles performing in their local musical and vocal language. The same problem possibly occurs when German vocalists fiddle with Nielsen songs. Therefore I had to interpolate between 10 and 8 resulting in a 9.
3. The “Gesamteindruck” or overall impression 8 was finally the result of your decision to provide an English only booklet. It contains excellent information, but because many classical music enthusiasts - alas being mostly elderly folks over here - do not read this language fluently a standard exists to regard this as poor. So the calculation was 10+9+6=25 25/3=8
Best regards
T.B
http://www.klassik-heute.com/4daction/www_medien_einzeln?id=22581