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Very fine Klassik.com review 4 stars

May 21, 2011

Lisa Otto

Musikalische Grenzgänge
Auf 'Spirits' finden sich bekannte, eingängige Stücke westlicher und chinesischer Klassik und Folklore,
interpretiert durch die chinesische Flötistin Chen Yue und den dänischen Gitarristen Lars Hannibal.
Interpretiert eine chinesische Musikerin auf einer traditionellen Bambusflöte die "Schlager" von europäischer Klassik und Volksmusik, dürften beim westlichen Hörer diesem Experiment gegenüber gewisse Vorurteile zu erwarten sein. Das Wort "Kitsch" dürfte zum ersten gehören, das er mit einer solchen Aufnahme assoziiert. Dies konnte die Xiao-Spielerin Chen Yue aber nicht davon abhalten, sich an eine eben solche Aufnahme heranzuwagen. Auf der CD ‚Spirits‘ spielt sie unter anderem die überaus bekannte 'Air' aus der Suite Nr. 3 D-Dur von Johann Sebastian Bach. Gleichfalls dürfte das 'Largo' aus dem "Winter" von Vivaldis 'Vier Jahreszeiten' oder das englische Volkslied 'Down by the Sally Gardens' hierzulande bekannt sein, und selbst jene Volkslieder, von denen man erwartet, sie nicht zu kennen, klingen bemerkenswert vertraut. Auch chinesische Volksweisen sind auf der CD enthalten, und auch hier handelt es sich mit Stücken wie 'Three Variations on Plum Blossom' oder 'Jasmin' wohl um die bekanntesten Werke der chinesischen Folklore.
Austausch durch Musik
Nun hat sich Yue dieser Werke nicht ganz allein angenommen: Der dänische Gitarrist Lars Hannibal begleitet und ergänzt ihre musikalische Performance. Und dieses Zusammentreffen zweier Musiker aus Ost und West - anklingend im Motto der CD, ‚East meets West‘, unter dem bei OUR Recordings bereits weitere Aufnahmen erschienen sind - machen den Reiz von ‚Spirits‘ aus. Wie eine intime Unterhaltung wirkt ‚Spirits‘, ein Annähern zweier Menschen an die musikalische Heimat des anderen. Gott sei dank beschränkt sich das Duo durchgehend auf den Klang von Flöte und akustischer Gitarre, so dass die Musik nie zu dick
aufgetragen wirkt, und das feine, virtuose, manchmal jazzig nuancierte Spiel Hannibals trägt insbesondere dazu bei, dass die bekannten Klänge doch ein wenig neu erscheinen. Yues Xiao-Spiel erinnert entfernt an eine Panflöte, und doch ist es ganz anders, farbenreich und ausgefeilt. (Was, bedenkt man, dass Yue die erste Frau ist, die in China einen akademischen Abschluss im Flötenspiel erlangt hat, kaum überraschen mag.) Ganz besonders verblüffend wird die CD, wenn sich englisches und chinesisches Volkslied gegenüberstehen und sich zeigt, dass die Unterschiede zwischen den musikalischen Kulturen gar nicht so
groß sind, wie man das erwartete: Ein wenig funktionale Untermalung hier und ein bisschen exotischer Instrumentalklang dort, und schon wäre man sich – wären die Lieder nicht ganz so bekannt – nicht mehr ganz sicher, aus welchem Land das Stück denn nun eigentlich stammt. Dennoch fühlt man sich beim Hören der CD zeitweilig an unaufdringliche Entspannungsmusik erinnert.
Bekanntes im neuen Gewand?
Eine grundsätzliche Empfehlung für ‚Spirits‘ zu geben, ist deswegen schwierig. Eine Neuinterpretation bekannter Werke und eingängiger Volksmelodien wird wohl nicht jeden Musikhörer ansprechen. Wer sich aber der CD mit Aufgeschlossenheit annimmt, wird die lyrischen, unaufdringlichen, persönlichen, überraschenden und manchmal vielleicht sogar humorvollen Aspekte dieser Einspielung zu schätzen wissen.
Kritik von Lisa Otto, 21.05.2011

https://magazin.klassik.com/reviews/plattenkritik.cfm?EAN=636943690123

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